Das Wadi Rum ist das größte Wadi (= Trockental) Jordaniens und neben dem Tal von Petra die größte Touristenattraktion des Landes. Das Wadi Rum liegt im Südwesten, südlich von Ma’an und östlich von Aqaba. Von Amman sind es auf der Route, die quer durch die Wüste bis nach Aqaba führt, rund 320 km bis zum Wadi.
Das Wadi Rum erstreckt sich parallel zur Aravasenke über eine Fläche von 100 mal 60 km. Es liegt auf einer Höhe von 800 m ü.NN, wobei die umliegenden Berge mit 1754 m ü.NN (Jebel Rum) und 1832 m ü.NN (Jebel Um Adaami) wesentlich höher sind. Im Sommer wird es hier gnadenlos heiß, im Winter fallen die Temperaturen bis auf den Gefrierpunkt.
Als Lawrence von Arabien 1917 mit den von ihm angeführten Beduinenstämmen auf dem nach Aqaba das Wadi Rum erreichte, fand er einige Süßwasserquellen in den Schluchten im Ostteil des Wadis vor, die als nur wenige Square Feet großes Paradies von feinstem Grün aus Farnen und Gras bedeckt beschrieb. Das zeigt, wie abwechslungsreich und wenig eintönig das Wadi eigentlich ist. Neben breiten, dürren Wüstentälern von hohen Felsen und Bergen gesäumt gibt es einige grüne Oasen und Täler.
Die zahlreichen Siqs, dem arabischen Wort für Canyon, sind erst teilweise erforscht und genau kartiert. Man ist auf die Führung der Beduinen angewiesen, die sich hier bestens auskennen und sich mit Führungen, Vermietung von Dromedaren und dem Verkauf von Souvenirs Geld für den Lebensunterhalt ihrer Familien verdienen.
Geologen nehmen an, dass das Wadi Rum durch einen Riss in der Erdoberfläche entstanden ist, verursacht durch das allmähliche Auseinanderdriften des Arabisch-Afrikanischen Schildes. Durch die Hebung wurden große Teile dieses Schildes zertrümmert. Einige dieser Reste sind bis zu 1000 m hoch, von Wind und Wetter im Laufe der Jahrmillionen Jahre geglättet. So entstanden die unterschiedlichsten Formationen, säulenförmige Felsgruppe, Bögen und Felsbrücken und enge Schluchten.
Diese Region muss aber nicht immer so unfruchtbar und menschenleer wie heute gewesen sein. Archäologen haben Spuren aus prähistorischer Zeit gefunden. In der Jungsteinzeit zwischen dem 8. und 6.Jahrhundert v.Chr. muss es dicht besiedelt gewesen sein. In der Antike war es als Wadi Iram bekannt. Hier kreuzten sich die Wege der Karawanen aus Syrien, Palästina und Arabien, die auf das Wasser der Süßwasserquellen im Wadi angewiesen waren. Man fand bearbeitete Feuersteine aus dem Neolithikum, Töpferwaren aus der Steinzeit und zahlreiche Petroglyphen an den Felswänden, die Zeugnis ablegen, dass das Wadi noch lange vor den Nabatäern besiedelt war. Bei Ausgrabungen im Süden des Wadi Rum stieß man auf eine kaleotithische Siedlung aus der Zeit um 4500 v.Chr.
Bereits in vorislamischer Zeit trafen hier die Stämme der Thamud, Main, Lihyan und Ad zusammen.
Die Blütezeit erreichte das Wadi aber durch die Nabatäer. Sei übertrafen die alten Stämme in Handel und Architektur bei weitem. Am Fuß des Jebel Rum errichtete die Männer vom Stamme der Ad einen Tempel, der von den Nabatäer im 1.Jahrhundert v.Chr. Übernommen und weiter ausgebaut wurde. In der Nähe dieses Tempels legten die Nabatäer eine kleine Siedlung an, die sogar ein großes Bad hatte. Talmudische Inschriften an den Felsklippen zu beiden Seiten des größten Tales und am Tempel selbst belegen, dass arabische Stämme am Bau beteiligt waren.
Da die Thamuden das Heiligtum von den Nabatäern übernahmen, überdecken heute die thamudischen Inskriptionen und Wandmalereien die Zeugnisse der Nabatäer. Bei Disi, wenige Kilometer östlich vom Wadi Rum, entdeckten Archäologen einen Ort, der von Nabatäern bewohnt war, noch bevor nach Petra umsiedelten.
Im Wadi Rum sammelten Prinz Faisal Ben Hussein und Lawrence von Arabien während des Ersten Weltkrieges die Beduinenstämme, bevor sie Richtung Aqaba weiterzogen, um die Festung der türkisch-osmanischen Truppen anzugreifen. Heute siedeln hier die Beduinenstämme Huweitat und Mzanah, die Besucher des Tals gastfreundlich empfangen, in ihren Zelten Minztee oder Kardamonkaffee reichen oder mit den Gästen am offenen Feuer unter dem weiten Wüstenhimmel sitzen.
Am Beginn des Tales hat die Wüstenpolizei Jordaniens ihr Quartier bezogen. Sie haben wahrscheinlich die malerischsten Uniformen des ganzen Orients mit der traditionellen khakifarbenen Disch Dasch, von einem Patronengurt zusammengehalten, im Pistolenhalfter steckt der obligatorische Dolch und als Kopfbedeckung das rot-weiß karierte Tuch, die Keffieh der Beduinen.
Im Wadi Rum gibt es einige selten gewordene Tierarten wie Steinböcke, Sandkatzen, die mit unseren Hauskatzen verwandt sind und viele eindrucksvolle Vogelarten: Geier, Adler und Bussarde. Es gibt Heilpflanzen, die die Beduinen seit Jahrhunderten nutzen. Um die karge Vegetation und vom Aussterben bedrohte Tierarten zu schützen, wurde das gesamte Wadi Rum zum Schutzgebiet erklärt. Auch deswegen sollte man sich als Besucher entsprechend umsichtig verhalten: Alle Abfälle wieder mitnehmen, keine blühenden Pflanzen oder Kräuter abreißen, Wildtiere nicht füttern oder anfassen. Das Wadi Rum ist ein sehr empfindliches Ökosystem. Die Wüste „vergisst nicht“; in dem trockenen Klima bleiben alle menschlichen Spuren und Hinterlassenschaften sehr lange erhalten.